Die aserbaidschanische Präsidentenfamilie hat über Jahre hinweg über Briefkastenfirmen Hunderte Millionen Euro in Europa investiert. Bei der Aktion halfen auch deutsche Geschäftsmänner, wie die „Pandora Papers“-Recherche zeigt.Von Anna Klühspies und Benedikt Strunz, NDR
Seit Jahren gibt es Korruptionsvorwürfe gegen Aserbaidschans Präsidenten Ilham Alijew. Nun zeigen die „Pandora Papers“, dass Angehörige und Freunde der aserbaidschanischen Präsidentenfamilie über Jahre hinweg Hunderte Millionen Euro in Europa angelegt haben. Woher das Geld stammt, bleibt unklar.
Besonders viel wurde dabei in London investiert, so etwa im Fall von Präsidenten-Sohn Heydar Alijew. Ausweislich der vertraulichen Unterlagen besaß eine Offshore-Firma, deren Eigentümer er war, Immobilien in London für 33 Millionen Britische Pfund. Heydar war damals elf Jahre alt.
Auch seine beiden Schwestern Leyla und Arzu waren den Unterlagen zufolge Eigentümerinnen zahlreicher Immobilien, die allesamt diskret über Briefkastenfirmen erworben wurden. Aus den geleakten Daten geht hervor, dass die drei Kinder des amtierenden aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew und Vertraute und Angehörige der Präsidentenfamilie zwischen 2006 und 2014 allein in Großbritannien Immobilien für mehr als 550 Millionen Euro erwarben. Viele der Gebäude wurden bereits weiter verkauft.
„Pandora Papers“
Die „Pandora Papers“ sind ein riesiges Datenleck aus der Welt der Schattenfinanzplätze. Die Daten geben Aufschluss über die wahren Eigentümer von mehr als 27.000 Offshore-Firmen. In den Daten finden sich Politikerinnen und Politiker, Superreiche, Oligarchen, Kriminelle und Prominente. Die 11,9 Millionen vertraulichen Unterlagen umfassen Gründungsurkunden von Briefkastenfirmen und Trusts, E-Mails, Abrechnungen und andere Dokumente.
Die Daten wurden in einer geheimen Recherche von mehr als 600 JournalistInnen und Journalisten aus 117 Ländern ausgewertet. Beteiligt waren Medien wie die „Washington Post“, die BBC, Radio France, der ORF, „El País“ und „Aftenposten“. In Deutschland recherchierten Journalistinnen und Journalisten von NDR, WDR und SZ an dem Datenleck.
Der Datensatz wurde dem Internationalen Konsortium für Investigative Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) von einer anonymen Quelle zugespielt. Das ICIJ teilte die Daten mit den Partnermedien und koordinierte die Recherchen. Das ICIJ leitete bereits globale Recherchen zu Schattenfinanzplätzen, darunter die „Panama Papers“, die „Paradise Papers“ und die „Luxemburg Leaks“.
Die vertraulichen Unterlagen stammen von 14 Offshore-Providern, also von Firmen, die ihren Kunden dabei helfen, Briefkastenfirmen, Trusts etc. aufzubauen. Häufig werden Briefkastenfirmen rechtlich in Ländern angesiedelt, die international durch eine schwache Geldwäschekontrolle, intransparentes Finanzgebaren und durch besonders niedrige Steuersätze auffallen.
Der Besitz von einer Briefkastenfirma ist nicht illegal. Offshore-Firmen können auch zu legalen Zwecken genutzt werden. Häufig dienen derartige Firmen-Konstrukte aber der Geldwäsche, der Steuerhinterziehung oder der Steuergestaltung.
Tschechische Bankkonten und deutsche Immobilien
Die Präsidenten-Kinder und ihre Vertrauten tauchen in den „Pandora Papers“ in Hunderten Dokumenten auf, zumeist als Besitzer oder Anteilseigner von Briefkastenfirmen, die zahlreiche Apartments, Häuser und ein historisches Gebäude, das heute ein Luxushotel beherbergt, halten.
Weitere Eigentümer der Liegenschaften – auch das zeigen die „Pandora Papers“ – sind der ehemalige aserbaidschanische Minister für Steuern und der Chef eines der größten Wirtschaftskonglomerate des Landes am Kaspischen Meer. Neben den Immobilien in London und Umgebung finden sich in dem gigantischen Offshore-Firmengeflecht der Alijews aber auch zahlreiche Konten bei einer tschechischen Bank und Ländereien in der Türkei.
Offenbar zog es die aserbaidschanische Herrscherfamilie bei ihrer Einkaufstour auch nach Deutschland. In den vertraulichen Papieren finden sich zwei Firmen, Garrisol Resources Limited und Faroe Resources Limited, für die jeweils vermerkt ist: „Hält Immobilie in Berlin, Deutschland“.
Seit Jahren massive Kritik an Präsident Alijew
Das Offshore-Imperium der Alijews wirft zahlreiche Fragen auf. Im Jahr 2003 beerbte Ilham Alijew seinen Vater im Amt des Präsidenten. Seither sieht sich der Machthaber internationaler Kritik ausgesetzt. Unter anderem wird ihm massive Wahlfälschung vorgeworfen, immer wieder werden kritische Journalisten in Aserbaidschan verfolgt, eingesperrt und bisweilen gefoltert.
Vor allem aber sieht sich Präsident Alijew dem Vorwurf ausgesetzt, dass er das ölreiche Land in eine Art Selbstbedienungsladen verwandelt hat. Internationale Recherchen verdeutlichten in den vergangenen Jahren, dass es kaum ein lukratives Geschäft gibt, an dem die Präsidentenfamilie nicht über Unternehmensanteile mitverdient, sei es im Bankensektor, in der Baubranche oder im Telekommunikationsbereich.
Die Nichtregierungsorganisation Transparency International bescheinigt dem Land gravierende Missstände bei der Korruption, das Recherchenetzwerk Organized Crime and Corruption Project (OCCRP) ernannte Alijew im Jahr 2012 zum „korruptesten Mann des Jahres“.
Die Helfer der Alijews
Der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Frank Schwabe, nennt die Rechercheergebnisse aus den „Pandora Papers“ „erschreckend“. „Wenn es Autokraten gibt, die im Grunde ihr Land ausplündern und dann ihr Geld in Europa anlegen, dann muss es viel rigidere Mechanismen geben, dagegen vorzugehen.“
Tatsächlich trifft Schwabe mit seiner Kritik einen wunden Punkt. Auch wenn nicht klar ist, dass das Geld aus korrupten Geschäften stammt, so sollten die Geldanlagen durch Briefkastenfirmen zumindest verschleiert werden. Die „Pandora Papers“ zeigen auch, dass die Alijews beim Aufbau ihres Offshore-Imperiums zahlreiche Helfer hatten – in notorischen Niedrigsteuerländern, aber auch in der Schweiz und in Deutschland.
Mehr als 60 der identifizierten Briefkastenfirmen wurden dabei von der Firma TridentTrust zur Verfügung gestellt. Die Geschäfte liefen den Recherchen zufolge offenbar weiter, obwohl TridentTrust intern über die Korruptionsvorwürfe gegen Alijews Tochter Arzu informiert war. Auf Nachfrage von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ sowie des Internationalen Konsortiums für Investigative Journalistinnen und Journalisten (ICIJ), wollte sich das Unternehmen TridentTrust nur allgemein äußern: Man halte sich stets an alle gesetzlichen Bestimmungen.
Aus den Daten geht weiter hervor, dass mindestens 60 Briefkastenfirmen aus dem Umfeld der Alijews von der Schweizer Firma Sandy Ventures verwaltet wurden. Firmenchefin Susanne Reinhardt erklärte auf Nachfrage, sie habe lange nicht gewusst, wer hinter den Firmen stehe. Sie habe auch nicht gewusst, worum es sich bei den Geschäften der Firmen handele und sich selbst eher als „Sekretärin“ gesehen. „Heute finde ich das nicht okay“, sagt die Frau, die angibt, mit der Firmenverwaltung gutes Geld verdient zu haben.
Auch mehrere deutsch-türkische Unternehmer unterstützten die Alijews. Den Unterlagen zufolge fungierten drei Männer aus Düsseldorf für zahlreiche Offshore-Firmen der Alijews als Direktoren. Über längere Zeiträume hielten sie sogar Bankvollmachten für Konten von Präsidententochter Arzu Alijewa. Weshalb die Männer, die in einem Beratungsunternehmen gearbeitet haben, sich für die Interessen der Alijews verwandten, bleibt unklar. Eine umfassende Anfrage ließen die drei unbeantwortet. Weder Präsident Ilham Alijew, noch seine Kinder antworteten auf umfassende Fragenkataloge.