Gießen (si). Für Meinungsfreiheit und Menschenrechte in dem vorderasiatischen Staat Aserbaidschan – einer ehemaligen Sowjetrepublik – haben am Mittwoch in Gießen 40 Menschen demonstriert. Aufgerufen hatte die Sozialpolitische Union »Wähle das Demokratische Aserbaidschan«.

Mit der Unabhängigkeitserklärung 1991 hätten die Menschen dort große Hoffnungen verbunden. Doch obwohl das Land seit 2009 mit der Europäischen Union durch die Östliche Partnerschaft verbunden sei, würden politische Aktivisten verfolgt, verhaftet und in den Gefängnissen gefoltert. Die autoritäre Regierung terrorisiere die Menschen, es gebe Korruption und Beamtenwillkür. Journalisten würden an der Ausübung ihres Berufes behindert, drei seien ermordet worden. Zurzeit gebe es in Aserbaidschan über 120 politische Gefangene, hieß es bei der Kundgebung.

Das Bündnis hielt seine Versammlung in Gießen vor den Verlagshäusern der heimischen Tageszeitungen ab – so wie vorher schon in etlichen anderen Städten. Nächste Station sei Düsseldorf, sagte ein Redner. Auch dort würden Aserbaidschaner aus ganz Deutschland teilnehmen.
Quelle: https://www.giessener-allgemeine.de/giessen/fuer-demokratie-in-aserbaidschan-demonstriert-90915773.html

Foto: Alish Abdullayev
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Foto: Stephan Sippel

AUFRUFE ZUR KUNDGEBUNG MIT DER KAMPAGNE „FREIHEIT FÜR POLITISCHEN GEFANGENEN“

APPELL

21 Juni 2021 der Appel der Teilnehmer der von politischen Migranten organisierten Kundgebung an die deutsche Zeitung “Gießener Allgemeine”

Sehr geehrte Medienvertreter und Medienvertreterinnen,

Heute wenden wir uns an die deutsche Medien, in ihren Namen an Sie, damit Sie wissen, in Aserbaidschan gibt es  über 120 politische Gefangene , es gibt keine freie Medien, das diktatorische Regime  setzt alle Arten der Polizeigewalt ein. Daher wollen wir der internationalen Gemeinschaft die aktuelle Situation vermitteln, damit wir die sofortige Freilassung der politischen Gefangenen in Aserbaidschan erreichen können. Auf diese Weise trägt Ihre Unterstützung dieser Kampagnen dazu bei, die Weltmedien und die Öffentlichkeit über das Geschehen in unserem Land zu informieren.

Obwohl das aserbaidschanische Volk, dem es im 20. Jahrhundert zweimal gelungen wurde, einen unabhängigen Staat zu gründen, die russische Besatzung überlebt hatte, konnte es dem autoritären Regime der sowjetisch-russischen Schule nicht entkommen. Obwohl im Land Intellektuellen vorhanden sind, die dafür sind, dass in unserem Land demokratische Prinzipien (Pluralismus, freie Wahlen, Versammlungsfreiheit, freie Aktivitäten usw.) gewinnen, trotzdem hat das im Jahre 1993 an die Macht gekommene Regime von Aliyev konnte unser Land schließlich in eine monarchische Struktur verwandelt.

Die Regierung wurde im Jahre 2003 vom Vater Aliyev auf Sohn Aliyev übertragen, und derzeit ist die Frau des Präsidenten Aliyev die erste Vizepräsidentin. Darüber hinaus wurde die Verfassung im Laufe der Jahre dreimal geändert und die dauerhafte Beteiligung einer Person an Wahlen legalisiert.

Das undemokratisch gewählte und umgesetzte Regime hat sogar zu kriminellen Maßnahmen gegriffen, um die politische Opposition, die freie Presse und die kritische Überzeugung zu zerstören. Bis heute wurden drei publizistischen Journalisten Elmar Huseynov, Rafig Tagi und Rasim Aliyev, die Beamten und die Regierung in Aserbaidschan kritisierten, ermordet und mehr als 50 Journalisten zu unterschiedlichen Zeiten inhaftiert. Das Privatleben von Journalisten wird gefilmt und zum Zwecke der Erpressung öffentlich gemacht, gegen ihnen wird die Ausreisesperre verhängt, sie werden der Folter ausgesetzt und unmenschlich behandelt. Im vergangenen Jahr wurden Afgan Sadigov, Chefredakteur des Nachrichtenportals AzelTv, Polad Aslanov, Gründer der Internetseite „Xebereman“, Elchin Mammad, Chefredakteur der Internetseite www.yukselish.info, und die Blogger Elchin Hasanzade und Ibrahim Türksoy mit erfundenen Anschuldigungen angeklagt, strafrechtlich verfolgt und mit Gerichtsbeschluss verhaftet.

Insgesamt gibt es in Aserbaidschan derzeit mehr als 120 politischen Gefangenen. Neben Journalisten sind auch Gläubige, Aktivisten von Oppositionsparteien, junge Blogger als politischen Gefangenen eingestuft. Taleh Bagirzade, Vorsitzender der Bewegung für moslemische Einheit, und andere Gläubige – Movsum Samadov, Abgül Suleymanov und andere – sind unter den Häftlingen.

Elshan Alisoy, Leiter der Internetseite „Sözçü“ und Vorsitzender des gesellschaftlichen Vereins für „Kriegsveteranen und Invaliden aus Karabach“, wird aufgrund seiner Artikel im Zusammenhang mit Korruptionsfällen in der staatlichen Ölgesellschaft von Aserbaidschan (SOCAR) mit erfundenen Strafverfahren angeklagt.

Am 17. Juni 2021 wurde die im Jahre 2020 aus Deutschland nach Aserbaidschan zurückgekehrter politischer Aktivist Tahir Heydarov (Tahir Yangilan) wegen des Vorwurfs Drogenbesitzes zu 2,5 Jahren Haft verurteilt.

Die aserbaidschanische Regierung unterdrückt Familienmitglieder und Angehörigen der im Exil lebenden politischen Aktivisten, um sie zum Schweigen zu bringen. Alleine die Angehörigen von mehr als 60 Mitgliedern unserer DAS – Organisation wurden den Repressalien ausgesetzt und bedroht. Sie wurden mit Entlassung von den Arbeitsstellen bedroht, von der Universität verwiesen, auf Polizeidienststellen bedroht und beleidigt, mit der Einleitung des Strafverfahrens, mit administrativen Haftstrafen und strafrechtlich verfolgt. Der „Fall in Tartar“ wird derzeit in unserem Land groß diskutiert.

Derzeit ist ein weiteres Thema in der öffentlichen Meinung Aserbaidschans: Die Ereignisse Tartar, wo Terroranschläge vom politischen Regime gegen das Militär und nicht gegen Journalisten und Oppostion verübt wurden. Im Jahr 2017 wurden 101 Offiziere als Opfer von Folter identifiziert und 11 wurden bei dem Ermittlungsverfahren  zu Tode gefoltert. Obwohl das Todesurteil in Aserbaidschan seit 1998 abgeschafft wurde. 25 von  Offizieren, die gefoltert sind, sind in der Haft. Fünf der bei der Folter getöteten Offiziere wurden per Gerichtsbeschluss freigesprochen. Und zehn Mitarbeiter  aus dem Verteidigungsminister wurden verhaftet. Im April 2021 veröffentlichte das Anti-Folter-Komitee einen Bericht über Folter gegen das Militär im Jahr 2017.

https://www.omct.org/en/resources/statements/azerbaijan-11-deaths-in-custody-and-other-serious-human-rights-violations-in-the-terter-case

Auch die mysteriösen Tode von 3 regierungskritischen  Personen im Jahr 2021 werfen viele Fragen auf. Vugar Rza, ein Mitglied der Volksfrontpartei Aserbaidschans wurde in einem See in Belgien tot aufgefunden. Bayram Mamadov, ein ehemaliger politischer Gefangener, der in Aserbaidschan als Statuengefangener bekannt ist, wurde im Mai in der Türkeı tot aufgefunden. In den letzten Tagen wurde der Blogger Huseyn Bakichanov, der in der Verwaltungshaft war, in seiner Wohnung tot aufgefunden.  Dahinter steckt die Möglichkeit, dass Kritiker vom Regime verfolgt und vernichtet werden.

Gleichzeitig ist das Abhören von bis zu 1000 politischen und sozialen Aktivisten in Aserbaidschan durch das Peagsus-Programm, das Terroristen in Israel verfolgen soll, auf internationaler Ebene weit verbreitet. Dies an sich ist nicht nur die Aktivität öffentlicher Aktivisten, sondern auch die Verbreitung und Verfolgung persönlicher Informationen. Derzeit kann Baba Suleyman, ein Mitglied der Volskforntpartei Aserbaidschans, das wegen seiner politischen Aktivitäten zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, jederzeit verfolgt und festgenommen werden, ebenso über ein weiteres Mitglied der Partei, den politischen Gefangenen Elzamin Salayev berichteten Medien über den Hungerstreik und die daraus resultierenden gesundheitlichen Probleme. Ein weiteres Thema in Aserbaidschan ist das Schweigen der Regierung gegenüber Gewalt gegen Frauen und die Untätigkeit der Polizei. Infolgedessen wurde am 3. August 2021 eine Frau Namens Sevinj Maharramova von ihrem Ehemann enthauptet. Davor appellierte S. Maharramova jedoch dreimal offiziell an die Polizei und in sozialen Netzwerken wurden Bilder ihrer Schläge verbreitet. Die Regierung von Aserbaidschan hat das 2011 vom Europarat verabschiedete Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt noch nicht unterzeichnet und das setzt eine Fortsetzung der Gewalt in diesem Land voraus.

Das seit Jahren nichtdemokratische Umfeld in Aserbaidschan ist auch der internationalen Gemeinschaft bekannt. Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen (Freedom House, Amnesty International, Human Rights Watch, Reporter ohne Grenzen usw.) enthalten ausreichende Informationen über die Verhaftung, Folter, Drohungen von Journalisten, Aktivisten der politischen Partei, Mitgliedern der Zivilgesellschaft, Vertretern der sozialen Medien. Es ist kein Zufall, dass Aserbaidschan in den letzten drei Jahren unter 180 Ländern auf Platz 168 rangiert. Es gibt mehr als 160 politische Gefangene im Land.                                                                                                                      Als Teilnehmer der Kundgebung bitten wir Sie, alle Gesetzesverstöße, antidemokratische Schritte, Veröffentlichung der politischen Repressalien in Aserbaidschan bekannt zu machen, um die Kampagne für die Freilassung politischer Gefangener zu unterstützen. Mit freundlichen Grüßen

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